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WOLFGANG MATTHEUER (1927 Reichenbach im Vogtland – 2004 Leipzig)

Ergebnis: 170.000 EUR

Beschreibung

Die Nacht
Öl auf Hartfaser. 1982.
106 x 140 cm.
Unten links mit Pinsel in Blau signiert "W. Mattheuer" und datiert.
Michels G 82/7.

Provenienz: Privatsammlung Berlin

Ausstellungen: Zeitvergleich - Malerei und Grafik aus der DDR, Wanderausstellung 1982 (Katalog S. 169) / Menschenbilder - Kunst aus der DDR, Westfäl. Landesmuseum für Kunst u. Kulturgeschichte Münster 1987 (Kat.-Nr. 75) / Sie malen ja nur: Zeitvergleich 88, aktuelle Malerei aus der DDR, Neues Kunstquartier Berlin 1988 (Brusberg Dokumente 19, Abb. S. 53) / Wolfgang Mattheuer – Bilder, Linol- und Holzschnitte, Sprengel Museum Hannover, 1990 (Kat.-Nr. 2)

Literatur: Malerei und Grafik aus der DDR: [Verkaufsausstellung d. Staatl. Kunsthandels d. DDR in Zsarb. mit d. Galerie Brusberg, Hannover; Kunstverein in Hamburg], 1986, Abb. S. 169 / Menschenbilder – Kunst aus der DDR, DuMont Köln, 1986, Abb. Nr. 75 / Brusberg Dokumente 19, Zeitvergleich ‘88, 1988, Abb. S. 53 / Schönemann, Heinz: Wolfgang Mattheuer, E.A. Seemann, Leipzig 1988, Nr. 115 / Sprengel Museum Hannover (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Bilder, Linol- und Holzschnitte, 1990, Kat. Nr. 2, Abb. S. 8

Der Maler, Grafiker und Bildhauer Wolfgang Mattheuer darf zu den bedeutendsten Künstlern der ehemaligen DDR gezählt werden und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Leipziger Schule. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine klare stilistische Einfachheit aus, doch sind seine Bilder stets voller Tiefgründigkeit und Doppelsinn. Er reflektiert in ihnen nicht nur seine eigenen Wünsche, Träume und Sehnsüchte, sondern die eines ganzen Volkes. So scheint es kaum verwunderlich, dass das Thema Freiheit ein Leitmotiv Mattheuers ist. Mythologische und symbolische Bildinhalte, die immer auch im aktuellen und politischen Kontext zu verstehen sind, sind charakteristisch für sein Werk.
Im Mittelpunkt der "Nacht" blicken wir in ein Gartenhäuschen, welches auf einer Straße steht, darin zwei Figuren bei Kerzenschein. Links davon in einem Kahn sitzt ein alter gebeugter Mann, während sich rechts der junge Ikarus in die Lüfte erhebt. Fast unmerklich, ganz rechts am Bildrand scheint es, als würde sich eine Figur klammheimlich aus dem Blickfeld schleichen. All dies geschieht im Schutze der Dunkelheit - Wären da nicht die Autos, die sich bedrohlich mit grellen Scheinwerfern der Szenerie nähern. Begleitet von erhobenem Arm und Stiefelbein.
Auch ohne das Werk Mattheuers zu kennen erschließt sich dem Betrachter sofort die Situation und nichts Anderes mag man denken, als dass hier zu später Stunde Fluchtpläne geschmiedet werden - Zumindest aber von der Freiheit geträumt wird. Traumflüge. Ob über Land, zu Wasser oder in der Luft – nur weg, scheint das Bild sagen zu wollen. Doch mahnt es gleich zur Vorsicht: Es birgt doch jeder Weg ein Risiko und nichts bleibt unentdeckt.
Mattheuers Bild geht zurück auf einen 1981 entstandenen Linolstich mit dem Titel "Nachtstück", auf dem bereits alle wesentlichen Elemente seines Werkes vereint sind, bis auf die Fragmente aus dem "Jahrhundertschritt" und die nach rechts ins Dunkle verschwindende Person. Es folgt 1982 eine Gouache, die dann schon den Titel "Die Nacht" trägt.
Bereits 1979 entsteht die erste Arbeit zum Ikarus, der abgestürzt am Boden liegend nur noch seinen davon fliegenden Flügeln, und damit Träumen, hinterherschauen kann, weswegen das Blatt auch den Titel "Und die Flügel ziehen himmelwärts" trägt. Der gleichnamige Holzschnitt aus demselben Jahr verdeutlicht noch mehr den "Verlust der Träume", denn darauf steigen die Flügel gar engelsgleich zum Himmel empor, während er am Boden liegend von den Umstehenden besungen, wenn nicht gar betrauert, wird. Ikarus wird zum Sinnbild für den Drang nach Freiheit, der Überwindung aller Hindernisse und so verwundert es nicht, dass er eine Schlüsselfigur in Mattheuers Werk wird.
Mit der "Verlorenen Mitte" aus dem Jahr 1980 veranschaulicht der Künstler erstmalig die Suche nach einer geistigen Mitte die er verloren glaubt, indem er verschiedene Gliedmaßen in alle Himmelsrichtungen streben lässt, bevor er mit dem Gemälde "Aggression" von 1982 die Figur konzipiert, die bezeichnend für sein Werk werden wird. Es ist der Grundstein für den "Jahrhundertschritt". Mattheuer hat den Extremitäten nun einen Körper gegeben und im "Albtraum", ebenfalls aus 1982, marschiert derselbe unterdessen in grauen Welten umher, den rechten Arm zum faschistischen Hitler-Gruß ausgestreckt, die linke Hand zur kommunistischen Faust des Proletariats geballt, mit einem linken Stiefelbein und dem nackten weißen rechten Bein.
Immer wiederkehrend in Mattheuers Werk sind auch die endlos langen Straßen, die sich durch die Landschaft ziehen und zumeist hinter Hügeln oder Bergen verschwinden. Zunächst in den 1950er Jahren noch Teil der Landschaftsidylle, gewinnt die Straße im Laufe der Zeit zunehmend an Bedeutung. Beispielhaft ist hier die "Große Straße I" von 1961, auf der der Verkehr noch in beide Richtungen fließt. Mit dem 1969 entstandenen Gemälde "Der Zeitungsleser" verändert sich die Lage. Der Verkehr fließt nun fast nur noch einseitig, nämlich in Richtung auf die in der Luft schwebende Frau mit Ballons hinter den Bergen zu. Mattheuer zitiert hier das Gemälde "Die Freiheit führt das Volk auf die Barrikaden" von Eugène Delacroix aus dem Jahre 1831, denn Marianne, die Symbolfigur für Freiheit schlechthin, wird fortan in mehreren Werken Mattheuers den Ruf nach Freiheit unterstreichen. Noch ist Marianne allerdings voll bekleidet und vielleicht erschließt sich nicht jedem der Zusammenhang auf den ersten Blick. Spätestens aber mit dem Bild "Hinter den 7 Bergen" von 1973 ist klar, wen die schwebende Dame darstellen soll. Denn nun ähnelt seine Marianne der von Delacroix noch mehr. Zu den Ballons hat sich überdies auch noch ein Blumenstrauß gesellt.
Und Mattheuer hört mit seinen Werken nicht auf zu bohren und zu fordern. Im Gemälde "Der Nachbar will fliegen" von 1983 lässt er uns wissen, dass nicht nur in dieser "Nacht" von Freiheit geträumt und darauf gehofft wird, nein, auch am Tage sind es eben genau jene Gedanken, die die Menschen umtreiben. Hier allerdings ist der Ikarus fast gespenstisch durchsichtig dargestellt, als wäre er nur ein flüchtiger "Gedanke", den man nicht fassen kann. Erst ein Jahr später, nämlich 1984, wagt es der "Nachbar" und erhebt sich mutig aus der Gartenkolonie heraus in die Lüfte - kritisch, aber auch neugierig von der Nachbarschaft beäugt. Das Gemälde mit dem Titel "Der Nachbar, der will fliegen" stellt sich wie ein Gegenentwurf zur „Nacht“ dar. Es scheint, als wenn nun endlich, nach all den heimlich geschmiedeten Plänen, der Mut überhandgenommen hat und trotz Zweifeln und Hindernissen das große Abenteuer in Angriff genommen wird. Doch der Versuch scheitert, wie wir spätestens durch den "Seltsamen Zwischenfall" erfahren und welcher uns den gefallenen Ikarus zeigt, an der Straße liegend, die Flügel gebrochen, doch nicht entmutigt und von einer Gruppe Gaffern aus einem Reisebus heraus beobachtet.
All dies erscheint uns heute geradezu wie ein Schrei nach Freiheit und Selbstbestimmtheit, auch danach das Land verlassen zu können, wann immer es einem beliebt. Doch Mattheuer habe nicht auf die Sehnsucht nach Reisefreiheit anspielen wollen, vielmehr sei es ihm vorrangig um die geistige Freiheit und den steten Kampf zwischen Gut und Böse gegangen (vgl. Michels: Wolfgang Mattheuer – Bilder als Botschaft, S. 263).

 

 

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